Darstellungen Afrikas

Darstellungen Afrikas – Der Blick von “aussen”

Obwohl die Blütezeit des europäischen Kolonialismus in Afrika seit etwas mehr als hundert Jahren vorüber ist, wirkt er auf verschiedenen Ebenen bis heute nach. Erst in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde damit begonnen, Stereotype aus der Zeit des Kolonialismus zu hinterfragen und zu überwinden. Dieser Prozess ist bis heute nicht abgeschlossen, da immer noch zahlreiche wirkmächtige Denkmuster aus vergangener Zeit unsere Wahrnehmung prägen. So wurde etwa noch 2005 im Augsburger Zoo ein African Village eingerichtet, in dem auch AfrikanerInnen Teil der Ausstellung waren. Verschiedene kritische Stimmen hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass das African Village in der Traditionslinie der Völkerschauen stehe. Das Inszenieren und Zurschaustellen von AfrikanerInnen für den europäischen Blick erfolgte auch auf bildlicher Ebene, sei es in der Fotografie, der Werbung oder in Comics. Diese Darstellungen waren sehr oft von einem rassistisch geprägten Denken und zahlreichen damit zusammenhängenden Stereotypen durchdrungen. Im 19. Jahrhundert wurden diese Stereotypen durch eine – vermeintlich – wissenschaftlich untermauerte Rassenlehre bestärkt.

 

Abb. 1: „Eingeborene“ als Foto-Sujet: Diese Abbildung aus einem deutschen Reiseprospekt (Reisen in Süd-Afrika) aus den 1950er-Jahren inszeniert auf mehreren Ebenen eine Kluft zwischen der weissen und den drei afrikanischen Frauen. Nederveen Pieterse, Jan: White on Black. New Haven / London 1992, S. 105..

Die Vor- und Darstellung des afrikanischen Kontinents in Europa war von Begriffswelten wie Exotik und Abenteuer, unberührter Natur und naturnah lebenden Völkern geprägt. Die Ambivalenz zwischen dieser Vorstellung und dem eigenen Zivilisierungs- und Fortschrittsanspruch[1] drückte sich in zahlreichen Darstellungen von AfrikanerInnen aus: Einerseits wurde dadurch, dass sie halbnackt und oft in traditionellem Schmuck gezeigt wurden, Distanz zum Selbstbild der EuropäerInnen hergestellt, ganz im Sinne einer Abwertung der gezeigten AfrikanerInnen (s. Abb. 1). Andererseits schwang in solchen Bildern oft auch eine von EuropäerInnen selbst geäusserte „Kritik an den Entfremdungsprozessen im ‚modernen‘ industrialisierten Europa“ und damit eine gewisse Verklärung mit.[2] Erst durch die Konstituierung der „Wildheit“ der anderen konnte die eigene „Zivilisiertheit“ überhaupt wahrgenommen werden.[3] Dennoch kann in der kolonialen und der missionarischen Fotografie auch ansatzweise Widerstand von den zu Objekten gemachten AfrikanerInnen erkannt werden, da sie hier über ihre eigene Mimik und Gestik bestimmen konnten.[4]

 

Die europäische – und US-amerikanische – Werbung machte in der Zeit des Hochimperialismus[5] (am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert) dunkelhäutige Menschen zum allgegenwärtigen Sujet. Gerade Produkte wie Zucker, Rum, Tabak, Kakao, Kaffee sowie tropische Früchte, die durch Sklavenarbeit für EuropäerInnen erschwinglich geworden waren, wurden oft mit stereotyp dargestellten AfrikanerInnen beworben.[6] Darunter ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass AfrikanerInnen in übertriebener Weise gemalt oder gezeichnet wurden: ihre Haut ist sehr dunkel bis tiefschwarz, sie haben übertrieben dicke Lippen, krause Haare, sind nur teilweise bekleidet oder tragen pseudotraditionelle Kleidung.[7]

 

Abb. 2: Werbung für Chocolat Gaucher von ca. 1912: Die typischen Kolonialprodukte werden einem „weissen Herrn“ von einem „schwarzen Diener“ gebracht. Zeller, Joachim: Weisse Blicke – Schwarze Körper. Erfurt 2010, S. 168.

Ein ähnliches Afrikabild zeigt beispielsweise Hergés Tintin au Congo (1930) aus der belgischen Reihe Tim und Struppi. Die afrikanischen Menschen sprechen grammatikalisch falsch und äusserst unsinnig, sie werden mit übergrossen Lippen gezeichnet, zudem sind sie technisch unwissend, den europäischen Protagonisten gegenüber devot, leichtgläubig und in beinahe allen Belangen auf deren Hilfe angewiesen. Sie sind entweder leicht bekleidet oder tragen unangebrachte europäische Kleidung wie Uniformteile oder Pelzmäntel. Tim und Struppi waren Comicfiguren, mit denen ganze Generationen von Kindern und Jugendlichen aufwuchsen. Diese Figuren prägten eine gewisse Sicht auf Themen wie beispielsweise den Umgang mit aussereuropäischen Menschen. Dieser Einfluss wurde vor allem ab den 1970er-Jahren verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert.

 

Die Reaktionen auf Kritik an weitverbreiteten und allseits beliebten (Kinder-)Büchern und Comics waren regelmässig von einer Abwehrhaltung geprägt. In eine ähnliche Richtung geht die Diskussion bei Tintin au Congo: Zwar äusserte Ralf Keiser, der Programmleiter bei Carlsen Comics, an einer öffentlichen Veranstaltung, dass er ein solches Heft heute nicht mehr akzeptieren würde; Konsequenzen hatte diese Aussage allerdings nicht, erscheint doch der Comic „aus lizenztechnischen Gründen“, wie es vonseiten des Verlags heisst, immer noch ohne ein einordnendes Vor- oder Nachwort.[8] In England und den USA blieb der Comic hingegen bis 2005 verboten und ist heute nur mit einem Warnhinweis sowie einem Vorwort ausserhalb der Kinderbuchabteilungen erhältlich. In Belgien wurde 2007 unter Berufung eines Anti-Rassismus-Gesetzes eine Klage eingereicht, um einen Verkaufsstopp von Tintin au Congo zu erwirken; die Klage wurde allerdings 2012 von zwei Instanzen mit der Begründung abgelehnt, der Comic sei Ausdruck seiner Zeit und könne nicht nach heutigen Rassismusvorstellungen bewertet werden.[9]

 

In westlichen Ländern sind die von Kolonialismus und Rassendenken geprägten Wahrnehmungen und Darstellungen von AfrikanerInnen immer noch sehr präsent. Es ist daher ein kritischer Blick auf solche Darstellungsmuster – und über den eigenen Horizont hinaus – nötig.

 

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