Isicathamiya
Musik der Wanderarbeiter in Südafrika
Unter Isicathamiya versteht man ein Genre von Südafrikanischer a capella-Musik, die von Männerchören praktiziert wird. Es wird zunächst in Zulu oder später auch in Englisch gesungen. Der Sprachgesang wird oft in call and response gehalten. Die vier verschiedenen Stimmlagen (Bass, Tenor, Alt, Sopran) werden von allen Männerstimmen übernommen, wobei der Sopran die Leadstimme übernimmt. Die anderen Stimmen geben die Antwort. Zum Gesang werden spezielle Schrittfolgen getanzt und geklatscht.
Der Beginn des Isicathamiyas wird in der Zeitung Ilanga Lase Natal (Sonne von Natal) auf 1890 gelegt.[1] Zu dieser Zeit tourten die afroamerikanischen Virginia Jubilee Singers, auch bekannt als Minstrel Vaudeville and Concert Company, mit ihrem Bandleader und Sänger Orpheus McAdoo durch Südafrika. Die Gruppe trug massgeblich zum Erfolg des neuen Musikstils bei, der sich im Verlauf rasch von den Städten in die ländlichen Regionen bis hin zu den Missionsstationen ausbreitete.
In Südafrika wanderten zu dieser Zeit viele der Arbeit nach und so entstanden die sogenannten Wanderarbeiter. Es blieb der afrikanischen Bevölkerung zwar bis 1917 per Gesetz verboten in den Städten zu leben, jedoch war es ihnen gestattet, dort zu arbeiten. Am Rande der Stadt lebten Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund und verschiedenen Kulturen in einfachen Wohnunterkünften[2] zusammen, was sich auch auf die Entwicklung von Musikstilen auswirkte.
Seit dem ersten Weltkrieg wurden dort die besten Vaudeville- und Ragtime-Gruppen entdeckt. Zum Beispiel fiel der Reuben Caluzas Ohlange Choir auf. Er trug Uniformen, die sehr schick und dem Kleidungsstil der Weissen angepasst war. Sein Gesang stach durch die wechselnden Stimmlagen heraus. Die ganze Art und Weise des Auftretens machte ihn für die ländliche Bevölkerung zu einem Vermittler des eleganten schwarzen Ideal-Städters (Coons). Dieser frühe Stil des Isicathamiyas wird als isikhunzi bezeichnet.[3]
Eine weitere durch städtische Migration entstandene kulturelle Praxis (und eine zusätzliche Quelle des Isicathamiyas) waren Tänze, wie zum Beispiel die ingoma-Tänze. Die ländliche und städtische Musik unterschied sich durch die Tänze, Organisation und Praktiken.[4] Ingoma blieb aber immer ein Teil von Isicathamiya.[5] Die früher polyphon gesungenen Lieder wurden dem westlichen Standard mit vier Stimmen-Struktur angepasst. Dies ist auf die verstärkte Tätigkeit christlicher Missionsorganisationen zurückzuführen, die eine Verbindung zwischen der Stadt und dem Land herstellten und so eine Brücke für Musik boten. Ende der 20er Jahre hatte sich Isicathamiya in seine auch heute noch bestehende Form entwickelt. Der ganze Prozess wurde innerhalb einer Generation vollzogen und kann ausser auf Migration und Urbanisierung auch auf die Veränderungen der sozialen Durchmischung zurückgeführt werden.[6]
Ebenfalls für den verstärkten Stadt-Land-Austausch sorgen die aufstrebenden Gruppen wie zum Beispiel die Crocodiles und die Evening Birds. Die Evening Birds nahmen nur wenige Lieder auf, feierten aber trotzdem grossen Erfolg. Dieser gründete nicht nur auf den Schallplatten, sondern auch auf Live-Auftritten, die teilweise mit Stepptanzgruppen unterstützt wurden. Ebenfalls in den 30er Jahren wurde der Stil Imbube von Solomon Linda, ins Leben gerufen. Mit der Entdeckung und der Unterstützung der Plattenfirma namens „Gallo“ wurde sein Song Mbube zu einem Hit.[7] Mbube wurde durch das ganze Jahrhundert hindurch in verschiedenen Variationen und von unterschiedlichen Interpreten neu aufgenommen und gelangte sogar bis in die USA, wo der Song noch heute unter The Lion Sleeps Tonight grosse Bekanntheit geniesst.
Die Gesangs-Wettbewerbe jener Zeit wurden von den beiden Chören Crocodiles und den Evening Birds dominiert, die die Isicathamiya-Szene bis in die 40er Jahre beherrschten.[8] Es kamen mit der Zeit einige Schulchöre dazu, diese orientierten sich am isikhunzi. Angeführt wurden diese Schulchöre von einem Chor namens Amanzimtoti. Die ursprünglich reinen Männerchöre wurden in den Städten dann mit Frauen erweitert. Dieses Modell wurde von der Stadt aufs Land getragen und war Ausdruck der zunehmenden Expansion urbaner Lebensformen.[9] In den 70er Jahren wurde eine neue Gruppe namens Ladysmith Black Mambazo mit ihrem Gründer und Bandleader Joseph Shabalala bekannt. Sie veröffentlichte einige Songs und wurde durch die Zusammenarbeit mit Paul Simon auch auf dem weltweiten Musikmarkt bekannt. Die grössten Hits feierten sie mit Paul Simon und dem Album Graceland in den 80er Jahren. Sie transportierten den Isicathamiya als Genre bis ins 21. Jahrhundert.[10]
Solomon Linda’s Original Evening Birds: Mbube, auf: Erlmann, Veit (comp.): Mbube Roots. Zulu Choral Music from South Africa, 1930s-1960s, Rounder Records 1988. [Original c. 1939]
Ladysmith Black Mambazo: Mbube (Wimoweh), auf: ebd.: The Very Best of Ladysmith Black Mambazo. Rain, Rain, Beautiful Rain, Wrasse Records 2004.
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